Nach dem Gewitter am letzten Abend scheint am Morgen die Sonne wieder von einem blauen wolkenlosen Himmel. Wir verlassen unseren Aussichtsbalkon und stürzen hinunter ins VAL TRÓMPIA, vorbei an Italiens ältester Waffenschiede, der Firma Beretta, nach BRESCIA. Beim CASTELLO finden wir einen schattigen Parkplatz und erkunden die weitläufige Burganlage. Venezianer, Mailänder und Franzosen teilten sich die Herrschaft und die Baukosten für diese monumentale und verwinkelte Befestigung. Im nahegelegenen Café genießen wir den Mittag bei einem Gläschen Bianci inmitten von Italienern, die sich über die Ereignisse der letzten Tage unterhalten.
Nun liegt die Emilia-Romagna vor uns. Sonst eilen wir über die Autobahn durch diese flache Landschaft, heute queren wir über Nebenstraßen diese vor Hitze flimmernde Landschaft. Der Himmel ist wie immer von der Feuchtigkeit milchig weiß, die Sonne ist oft nur zu erahnen. Dennoch klettert die Quecksilbersäule auf über 30 Grad. Wir fahren an so manchen verfallenen, ehemals stolzen, Bauernhöfen vorbei. Wir besuchen das kleine und ruhige Örtchen SABBIONETA. Im 16. Jh. wollte der größenwahnsinnige Herzog Vespasiano Gonzage, dessen Biografie sich wie ein Horrorszenario liest (Sohn umgebracht, erste Frau ermordet, eine zweite endete im Wahnsinn) dieses schläfrige Städtchen zur „idealen Renaissancestadt“ ausbauen, was ihm auch teilwiese bis zu seinem Tode gelang. Heute schlummert dieser Ort wieder vor sich hin.
- Die Poebene, weit und flach
- Ehemaliger Stolz einer Bauernfamilie
- Sabbioneta
Viel symphytischer sind da Don Camillo und Peppone, die wir in BRESCELLO besuchen. Beide stehen in freundschaftlicher Pose auf dem Marktplatz und winken sich zu. Fünf Filme drehten Fernandel und Gino Cervi in dem kleinen Städtchen, das sich ganz dem Kult dieser Schauspieler widmet. Leider ist Montag und das Museum geschlossen. Irgendwann müssen wir uns die Filme wieder anschauen. Wir haben auch den PO überquert, früher die Grenze zwischen dem streng katholischen Lombardei und der kommunistischen Emilia. Deshalb ist der Ort auch prädestiniert für die Geschichte der beiden symphytischen Charaktere.
Das Tagesziel ist ein weiterer geschichtlicher Ort: CANOSSA. Unterhalb der Ruine finden wir ein Plätzchen für die Nacht. So wie der Tag begann, endet er: mit einer roten Sonne. Nachdem auch wir am nächsten Morgen unseren Gang nach CANOSSA geleistet haben, sind wir ganz erleichtert. Wie muss es da erst Heinrich IV. ergangen sein, nachdem Papst Gregor VII. den Kirchenbann aufhob und der deutsche Kaiser seine spirituelle und politische Handlungsfähigkeit wieder erlangt. Die Historikersind sind sich jedoch bis heute über den tatsächlichen Ablauf nicht einig. Manche bestreiten den „als erniedrigend empfunden Bittgang“, den der „Gang nach Canossa“ heute im Sprachgebrauch hat, und vermuten eher eine ausgeklügelte Vereinbarung zwischen Heiligen Stuhl und Krone.
Unsere Augen freuen sich über die Abwechslung im APENNIN, nachdem wir der Hitze und Eintönigkeit der POEBENE entflohen sind, die wie so oft auch heute ein dichter Dunstschleier verhüllt. Wir kurven die Hügel hinauf und hinunter, besuchen mit dem CASTELLO DI CARPENTI eine weitere Burg der Mathilde von Tuszien, die auch hier dem verfolgten Papst Gregor VII. Unterschlupf gewährte. Die Straße zum PASSO DELLE RADICI führt nun durch dichten Wald. Hinter dem Pass windet sich die Straße in steilen Serpentinen hinunter ins Tal des SERCHIO. Bei der ALPE DEL PELLEGRINO dreht Peter eine Runde zu einem aussichtsreichen Grashügel. Über uns braut sich ein Gewitter zusammen. Die Wolken türmen sich hoch auf, erste Regenschauer gehen nieder, Blitze zucken. Da fahren wir lieber hinunter ins Tal. Bei der PONTE DELLA MADDALENA, auch TEUFELSBRÜCKE genannt, machen wir eine letzte Rast, bevor wir unseren Übernachtungsplatz aufsuchen, den Landeplatz von DIECIMO. Leider kommt der Wind von der falschen Seite, da trinken wir lieber ein Glas Rotwein, bevor Peter in die Luft geht.