Das Grauen von Montecassino

Stimmungsvoll verabschiedet uns der MONTE CIRCEO. Über dem Meer kreist eine Windhose und erste Regenschleier fallen aus den Wolken, über uns blitzt und donnert es zugleich. Wir fahren noch ein Stück der Küste entlang. In den tristen und schmuddeligen Straßen von TERRACINA herrscht nicht mehr die Urlaubsromantik wie zu Zeiten von Gerhard Polt in der Satire „Man spricht deutsch“, das war ja schon 1988. Auch GAETA lassen wir schnell hinter uns. Teure Yachten warten hier in den Werften auf den Eigentümer oder den Käufer. Sogar ein Kreuzfahrtschiff liegt zur Renovierung am weiten Hafenbecken. Wir haben unsere Vorurteile von diesem Küstenabschnitt bestätigt bekommen und können so beruhigt ins Landesinnere auf die andere Seite des Stiefels abbiegen. Für die Mittagspause erklimmen wir motorisiert den MONTE FUSCO und vespern beim SANTUARIO MADONNA DELLA CIVITA mit prächtiger Aussicht auf TERRACINA und GAETA, die unter einer dicken schwarzen Wolkendecke noch in der Sonne leuchten.

In engen Serpentinen windet sich die Straße hinauf zur geschichtsträchtigen ABBAZIA DI MONTECASSINO. Benedikt von Nursia, der Verfasser der ersten Klosterregeln, gründete sie bereits im Jahre 529. In Vorzeiten standen hier ein Apollotempel und die römische Befestigungsanlage Casinum. Nach einer ersten Zerstörung durch die Langobarden gründete es Willibald von Eichstätt im Jahre 717 neu. Das Kloster erlebte in seiner Geschichte so manche weitere Zerstörung durch Erdbeben und Kriege, die letzte am 15. Februar 1944. Drei Stunden bombardierten die Alliierten mit unzähligen Flugzeugen das Kloster, obwohl sich weder deutsche Soldaten noch Kriegsgerät darin befanden. Mit Ausnahme der Krypta wurde es bis auf die Grundmauern völlig zerstört. Die Kunstschätze und Baupläne ließ ein Wehrmachtsoffizier auf 100 Armeelastwagen in die Engelsburg nach Rom evakuieren. Schlechter ging es den Flüchtlingen und Mönchen im Kloster, von den mindestens 250 den Tod fanden. Nach dem Krieg wurde die Abtei nach den alten Plänen und dem Leitsatz des Abtes „Wo es stand und wie es war“ wieder aufgebaut.

Die Schlacht um MONTECASSINO dauerte vom 17. Januar bis zum 18. Mai 1944 war eine der längsten und blutigsten des Zweiten Weltkrieges. Der Berg mit dem Kloster war ein strategisch wichtiger Punkt in der quer durch Italien gezogenen Gustav-Linie. In vier Schlachten kämpften 105.000 alliierte Soldaten aus der USA, Großbritannien, Frankreich, Indien, Neuseeland, Algerien, Marokko und Polen gegen 80.000 deutsche Soldaten. 55.000 alliierte und 20.000 deutsche Soldaten starben. Die Stadt CASSINO am Fuße des Berges war total zerstört, was vielen Zivilisten das Leben kostete.

In Polen gilt die Eroberung der Ruinen von MONTECASSINO als ein nationales Symbol für den Tod tausender Soldaten, die im Exil, sie hatten ja keinen eigenen Staat mehr, auf Seiten der Alliierten ihr Leben ließen. Für mehr als tausend der insgesamt dreitausend polnischen Opfer an dieser Schlacht haben die Überlebenden einen Friedhof geschaffen. Gerade als wir hier sind, kommen Polen mit einem Reisebus zu Besuch. Am nächsten Tag besuchen wir den in Sichtweite gelegenen deutschen Soldatenfriedhof, auf dem  20.057 Soldaten bestatten sind, viele um die 20 Jahre alt. Sie waren nicht einmal Volljährig als sie in diesen unseligen Kampf geschickt wurden. Wie gut, dass wir nun schon seit über 70 Jahren in Frieden leben können. Gerade deshalb ist es wichtig, solche Gedenkstätten zu haben und zu besuchen, um das Geschichtsbewusstsein zu erhalten. Es darf nicht mehr passieren, dass politische Scharfmacher mit einfachen Parolen einen Krieg anzetteln. In vielen Ländern gilt die Schlacht um MONTECASSINO als Synonym für die Sinnlosigkeit des Kriegs, die Zerstörung des Klosters als Mahnmal gegen den Krieg und für den Frieden.

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