In Kalabrien angekommen

Einen Tag hält uns die Sonne, anderntags der Regen an den weiten Stränden Kalabriens, das wir mittlerweile erreicht haben. Familien kommen zum Strandspaziergang, Fischer bringen ihre Boote am Anhänger zum Wasser, Jäger lassen dutzende von Plastikenten im Meer schwimmen und spielen dazu Vogelgezwitscher ab und ein reitender farbiger Cowboy führt seine Kühe den Strand entlang.

Als an einem Morgen die Sonne etwas durch die grauen Wolken spitzt, fahren wir hinauf in die Berge nach CIVITA. Den Landstrich besiedelten im 15. Jh. Albaner auf der Flucht vor den Türken, so erklären sich auch die zweisprachigen Ortschilder. Der nette und lebendige Ort liegt hoch über der RAGANELLLO-SCHLUCHT. Tief unten in der Schlucht überspannt eine neue TEUFELSBRÜCKE, die Vorgängerin stürzte in 1998 ein, den heute milchig braunen Wildbach. Wir laufen über einen breiten Weg hinunter zu der filigranen Brücke, gegenüber ragen die himmelhohen Felsen der Schlucht auf. Auf dem Rückweg grüßen die Bewohner freundlich, einer bietet uns sogar seine scharfen Peperoni an, doch wir sind ja gut versorgt mit den scharfen Schoten.

Das Wetter meint es wieder gut mit uns und wir können in die Berge fahren. Die Straße bringt uns kurvenreich schnell hinauf in den lichten Wald, Kiefern und Steineichen wechseln sich ab. An den vielen Brunnen stehen die Einheimischen und füllen ihre Plastikbehälter mit dem kühlen Nass. Unvermittelt stehen wir an der ABBAZIA SANTA MARIA DEL PATIRE, ein ehemaliges Kloster mit einer ruhigen Würde ausstrahlenden Kirche aus normannischer Zeit. Die gut erhaltenen Mosaike erinnern ein wenig an Kinderzeichnungen.

Nach dem Kulturdenkmal erwartet uns ein Naturdenkmal: die GIGANTI DELLE SILA GRECA. Fünfundsiebzig uralte Kastanien stehen verstreut im Wald. In manche der hohlen Giganten passt ein Mensch. Die Stämme sind verdreht, knorrig und von den Unbilden des Wetters gezeichnet. Manch einer der Majestäten ist durch einen Blitz gezeichnet. Wir wandern von Baum zu Baum und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch die kleinen Dinge am Boden sin mindestens einen Blick wert. Da spitzt ein Pilz aus dem alten Laub und ein Gänseblümchen behauptet sich gegen seine stacheligen Nachbarn. Es ist schon Mittag, als wir die vielen Kurven wieder hinunter in die Ebene fahren.

ROSSANA nannte man einst das Ravenna des Südens, war es doch das Zentrum des byzantinischen Kalabriens. Heute ist der ganze Stolz der Ortschaft der Codex Purpureus Rossanensis, ein reich verziertes griechisches Evangelium, das unbekannte Künstler vermutlich im 4. Jh. in Syrien schufen. Ein netter Museumsführer erklärt das Buch und dessen Geschichte wortreich auf Englisch, nächste Woche besucht er ein internationales Treffen in Hamburg.

Im alten Zentrum ROSSANAS ist jedoch von der einstigen Macht und Pracht nichts mehr zu spüren. An vielen Häusern nagt heftig der Zahn der Zeit und die meisten Fassaden sind grau vor Schimmel. Eigentlich unvorstellbar, dass hier noch Mensch leben. Doch vor vielen Fenstern hängt die frisch duftende Wäsche zum Trocknen, aus so mancher offenen Tür dringt Gemurmel nach außen. Wie arm müssen die Menschen hier sein, um in solchen Höhlen leben zu müssen.

3 Gedanken zu “In Kalabrien angekommen

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