Die Katzen haben uns heute Nacht in Ruhe gelassen und keine Musik angestimmt. Die Sonne tut sich heute schwer, immer wieder schiebt der Wind von Norden her dicke Wolken über den Himmel. Tags über tröpfelt es sogar ein wenig.
Wir verlassen das ruhige BABAKALE und fahren durch eine schöne hügelige Landschaft, in der verstreut riesige runde Felsbrocken herumliegen. Von einer kleinen Anhöhe aus tut sich uns das Meer mit einigen silbrigen Flecken auf. Die griechische Insel LESBOS streckt ihre mächtigen Berge in den Himmel. Es ist schon seltsam: Fast alle Inseln in der Agäis gehören zu Griechenland, obwohl sie nicht weit von der Küste entfernt sind. Vermutlich haben die Engländer, meist verbündet mit den Griechen, hier ihre Hand im Spiel und konnten so den Widersacher Türkei im Auge behalten.
In BEHRAMKALE kommen wir nicht an der riesigen alten Stadt ASSOS vorbei. Aristoteles gründete hier eine Schule und der Apostel Paulus besucht sie auf einer seiner Reisen. Derzeit wird das gesamte Gelände fit für Besucher gemacht, alleine das gut erhaltene Theater aus dem 4. Jh. v. u. Z. können wir besichtigen. Schon von den Griechen genutzt, rissen, wie so oft, die Römer die untere Sitzreihen heraus und brachten eine Brüstung an, um ihre geliebten Gladiatorenkämpfe aufführen zu können.
Dann fahren wir 100 km durch eine riesige einzige Ferienhaussiedlung. Von der Küste bis hoch hinauf an den Hängen wuchern die Häuser wie ein Krebsgeschwür in der Landschaft. Jetzt in der Nebensaison sind sie ausgestorben und wirken wie Geisterdörfer. Wir wundern uns, wie man sich hier niederlassen kann, und sei es nur in den Ferien.
Auf der Halbinsel ALIBEY finden wir in der gleichnamigen Ortschaft an der Promenade einen ganz angenehmen Platz. Die Ortschaft hat sich fein herausgeputzt, viele der Häuser sind schön renoviert und am kleinen Hafen warten in den unzähligen Restaurants die Bedienungen heute fast vergebens auf Gäste. Nur einzelne Tische sind besetzt. An einem Parkplatz stehen sage und schreibe neun Geldautomaten neben einander. Peter, als alter Sparkassenoptimierer, kann das gar nicht verstehen. Abends im letzten Licht macht vor uns ein kleines Fischerboot fest, deren dreimännige Besatzung recht erfolgreich war.
Gestern hat uns der Muezzin in den Schlaf gebetet, heute weckt er uns vor Sonnenaufgang gegen sieben Uhr. Wieder zurück auf dem Festland bleiben wir in AYVALİK hängen und bummeln durch die geschäftige Stadt. An einem Stand steht ein Dutzend Männer an. Frauen frittieren süßes Gebäck, die unseren katholischen Knieküchle zur Kirchweih ähneln. Die Männer sitzen im Caféhaus bei einem Glas Çay. In den schmalen Gassen wird in den kleinen Läden alles für den täglichen Gebrauch angeboten. Die ehemaligen Kirchen sind jetzt Moscheen, so steht neben dem schlanken Minarett der alte Uhrenturm. Die engen Gassen winden sich den Hang hinauf. Bunte und aufwendig restaurierte Häuser wechseln mit verwahrlosten Ruinen, neben prächtigen Portalen sind die Türen mit Brettern vernagelt.Alles stumme Zeugen der ehemals griechischen Einwohner, die um Zuge des Völkeraustausches 1923 ihre Heimat verlassen mussten (einem Vorschlag des Völkerbunds folgend). Die meisten gingen auf die benachbarte Insel Lesbos, während Türken aus Kreta in ihre Häuser zogen.