Und noch ein paar antike Steinhaufen

Nach der weitläufigen Ausgrabung besuchen wir am nächsten Tag das neue Museum in SELÇUK, mit den Fundstücke aus EPHESUS. Die Ausstellung ist modern und sehr ansprechend gestaltet, die Exponate sind ins rechte Licht gerückt und gut präsentiert. Uns überraschen immer wieder die fein gearbeiteten Gegenstände des täglichen Lebens, wie z. B. das filigrane und bunte Glas. So mancher Gott und berühmter Zeitgenosse der damaligen Epoche hat zu seinen Ehren eine Statue oder eine Büste bekommen. Zeus und Sokrates sowie der ein oder andere römischer Kaiser sind in Marmor verewigt. Die eindrucksvollsten Statuen sind jedoch die beiden Marmorkopien der Artemis, der Göttin der Jagd, des Waldes und des Mondes sowie der Hüterin der Frauen und Kinder. Bei der Deutung des Brustgehänges gehen die Meinungen der Experten auseinander: Brüste, Stierhoden, Eier oder eine Jagdtasche könnten es sein.

Zurück auf dem Parkplatz geht ein heftiger Platzregen nieder. Wir beschließen bei dem Wetter ein Stück weiter in den Süden zu fahren. Nachdem es grau ist und die Landschaft uns nicht so beeindruckt (was sind wir verwöhnt) steuern wir die nächste Ausgrabungsstätte an, PRIENE. Wir machen uns unter grauen Wolken gleich auf den Weg zur Besichtigung. Die alte Stadt liegt aussichtsreich über den Mäandern des Flusses BÜYÜK MENDERES, der durch sein Geschiebe, immerhin 9 Meter pro Jahr, den Hafen versanden lies und die Stadt dadurch zur Bedeutungslosigkeit verbannte. Ein Felssturz, riesige Steinbrocken liegen inmitten der ausgegrabenen Häuser, und schwere Erdbeben gaben den Gebäuden den Rest. Die gewaltigen Säulen des Heratempels liegen weit verstreut über den Hang verteilt. Das Theater ist wie alle griechischen Theater in den Hang gebaut, mit weitem Blick über die Ebene. Ein Tempel für Ägyptische Götter überrascht uns. Diese hatten eine Lösung für das Jenseits, was den griechischen Göttern anscheinend nicht so wichtig war. So wurden die fremden Götter einfach vereinnahmt und man konnte beruhigt weiterleben. Wenn doch auch die heutigen Religionen so pragmatisch gewesen wären.

 

Wir fahren hinunter in die weite Schwemmlandebene des GROSSEN MÄANDERS. Kaum vorstellbar, dass hier 494 v. u. Z. die Mileter gegen die Perser eine große Seeschlacht fochten. Jetzt sind hier die größten Baumwollfelder der Agäis. Auf der anderen Seite des Tals liegt das ehemals mächtige MILET das 90 Tochterkolonien gründete. Eigentlich wollten wir nur kurz vorbeischauen, doch dann lockt das riesige Theater zu einer ausgiebigen Besichtigung. Das von den Griechen gegründete und von den Römern erweiterte Theater faste 15 000 bis 25 000 Zuschauer. 30 m hoch ragt es heute noch auf und wird von einem Kastell aus dem 8 Jh. gekrönt. Die damaligen Bewohnern konnten sich bestimmt nicht vorstellen, dass ihre mächtige und einflussreiche Stadt irgendwann an Bedeutung verlieren und vergessen wird, bis sie ein paar neugierige Archäologen wieder ausgruben. Wie vermutlich auch die Bewohner der heutigen Megacities. Aber irgendwann ändern sich die Handelsströme und verlagern sich die Produktionsstätten und die Menschen ziehen an andere Orte. Wie die Welt wohl in ein paar hundert Jahren aussieht?

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Auf der Weiterfahrt halten wir an einem Verkaufsstand. Wir werden mit gutem Deutsch begrüßt und kaufen scharfes und mildes Paprikapulver, Peperoni im Glas und frische grüne kleine Paprikaschoten, alles zusammen für 30 TL, etwa 4,50 €. Die Frau war als Kind in Frankfurt und musste mit sieben Jahren zurück in die Türkei. Sie würde gerne wieder in Deutschland leben, doch sie ist verheiratet und der Mann will hier bleiben. Was für ein Schicksal.

Nachdem uns die Landschaft immer noch nicht so beeindruckt, besuchen wir eine weiter historische Stätte. In DIDYMA steht die größte Tempelanlage der Türkei. Hier war nie eine Stadt, der Ort diente alleine der Verehrung des Gottes Apollons und beherbergt nach Delphi das zweit wichtigste Orakel der Antike. Nach der Zerstörung durch die Perser sollte die Stätte noch prächtiger wieder aufgebaut werden. 122 Säulen, 20 Meter hoch und am Fuße 2 Meter dick, sollten das neue Heiligtum schmücken. Eine Säule erforderte alleine 20 000 Arbeitsstunden, sodass ein Steinmetz 10 Jahre damit beschäftigt war. Wegen der immensen Kosten ist es nicht verwunderlich, dass der Tempel selbst nach 600-jähriger Bauzeit nicht vollendet werden konnte. Als das Christentum Staatsreligion wurde, stellte man die Bautätigkeiten endgültig ein. Und heutzutage glaubt man eher an Algorithmen als an Priester.

4 Gedanken zu “Und noch ein paar antike Steinhaufen

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